Mailing Juli 2020

Sehr geehrte Unterstützer*innen des PSZ, liebe Freund*innen,

gerne möchten wir Euch und Ihnen wieder berichten, was uns im PSZ in den letzten Wochen beschäftigt hat:

Covid-19 – gravierende Lage in Herkunftsländern bewegt auch unsere Klient*innen
In der Arbeit mit Geflüchteten und in unserem internationalen Team ist täglich präsent, dass wir uns noch mitten in der globalen Pandemie befinden. Es erreichen uns aus den Heimatländern unserer Klient*innen und von den Familienangehörigen in unserem internationalen Kolleg*innenteam viele beunruhigende Nachrichten. Die Anzahl der mit Covid-19 Infizierten steigt in vielen Regionen weltweit, örtliche Krankenhäuser sind überfordert, manches Regime nutzt die Gelegenheit, um erneut politischen Widerstand zu unterdrücken.

Beispiel Afghanistan: „Ich fürchte mich vor jedem Anruf aus der Heimat“, sagt ein Klient. „Ich hätte nicht gedacht, dass sich unsere Situation dort für die Bevölkerung nochmal so verschlechtern könnte. Selbst Geld kann nicht mehr helfen, denn die Grenzen nach Pakistan, um dort eine vernünftige Krankenhausbehandlung zu erhalten, sind geschlossen. Ein Krankenhaus in Kabul hat selbst durch sein Fehlverhalten für eine Verbreitung von Corona gesorgt – das muss man sich mal vorstellen.“ Es ist für den Großteil der Bevölkerung nicht möglich, Abstand einzuhalten, denn viele Tagelöhner sind auf regelmäßige Arbeit angewiesen. Nach Angaben der Hilfsorganisation Save the Children sind in Afghanistan allein sieben Millionen Kinder in Folge der Corona-Pandemie von Hunger bedroht (Quelle: Tagesschau online). Viele Erkrankte versuchen zudem aus Angst vor sozialer Stigmatisierung, ihre Infektion geheim zu halten, die Krankenhäuser sind völlig überfordert. Im Übrigen gehen die Kämpfe in Afghanistan weiter. Die UN-Mission in Kabul UNAMA schätzt, dass allein in den ersten drei Monaten dieses Jahres fast 1300 Zivilisten Opfer von Gewalt geworden sind.

Beispiel Iran: Nach der ersten Welle von Infektionen sorgt jetzt die zweite Phase der Pandemie, die nach den Lockerungen ausbrach, für abermals vergleichsweise hohe Ansteckungs- und Todeszahlen. „Ich fühle mich schuldig – wieso bin ich gegangen? Sie sind dort, ich bin hier, ich kann ihnen nicht helfen. Immer mehr erkranken an dem Virus. Zudem ist die wirtschaftliche Situation ist so schlecht, dass ich meine Familie unterstützen müsste, aber ich habe hier meine Arbeit verloren.“ schildert ein Klient, der seinen Job in der Gastronomie wegen der Pandemie verloren hat.

Auch in Serbien steigt die Zahl der Neuinfektionen, nachdem der Ausnahmezustand Ende Mai aufgehoben wurde und Fußballspiele, Hochzeiten und Lokale wieder öffneten. Erst Anfang Juli kam es zu gewaltsamen Ausschreitungen bei Demonstrationen.

In:fo Projekt endet nach zwei Jahren intensiver Projektarbeit
Das in:Fo-Projekt ist zu Ende. In den letzten zwei Jahren haben wir im AMIF-geförderten Projekt „in:Fo – interdisziplinär: Folterfolgen erkennen und versorgen“ mit unseren lokalen Projektpartnern der MFH Bochum, der Transkulturellen Ambulanz der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie, dem LVR Klinikum Düsseldorf und dem Institut für Rechtsmedizin an der Uniklinik Düsseldorf über 300 geflüchtete Folterüberlebende versorgt.
Folter als massive Gewalterfahrung vor der Flucht ist weiterhin sehr unsichtbar – viele Geflüchtete leiden zwar unter massiven psychischen, körperlichen und sozialen Folgen, oft bleibt es aber unerkannt, dass Folter und unmenschliche Behandlung diese Folgen mitverursachen und in Anamnese und Therapie zu beachten sind.
Im Rahmen unseres Case Managements wurde bei Bedarf eine detaillierte Sachverhaltsaufklärung der Folterfolgen durchgeführt, zudem wurden die Klient*innen in weitere Versorgungsstrukturen vermittelt. Dabei ist nochmal deutlich geworden, wie wichtig eine ganzheitliche und interdisziplinäre Versorgung der betroffenen Menschen ist.

Auf unserer Projektwebsite www.folterfolgen-erkennen.de haben wir zum Tag der Unterstützung der Folteropfer eine Präsentation mit unseren Empfehlungen zum Versorgungspfad sowie Statements von an der medizinisch-psychosozialen Versorgung Beteiligten veröffentlicht.
Wir möchten diese Arbeit auf jeden Fall fortsetzen, noch sind jedoch wichtige Mittel nicht genehmigt.

Spenden für das PSZ weiterhin dringend notwendig!
Auch in „Corona-Zeiten“ halten wir bestmöglich unsere Angebote aufrecht. Wir haben neue Wege (Telefonkonferenzen mit Sprachmittler*innen, Videotherapie, Spaziergänge etc.) gefunden, um Geflüchteten weiterhin psychosoziale Unterstützung zukommen lassen zu können. Wir sind essentiell auf Spenden angewiesen. Unsere Arbeit basiert auf immer wieder neu einzuwerbenden Projektmitteln, die das Vorhandensein eines Eigenanteils voraussetzen. Dazu brauchen wir dringend Ihre finanzielle Unterstützung. Wir freuen uns über jede Spende, jeden Beitrag!

Informationen zu unseren Veranstaltungen und Fortbildungen:
Nach ersten Erfahrungen mit Fortbildungen über das Internet und auch wieder vermehrt Möglichkeiten, in großen Räumen oder mit kleinen Gruppen zu arbeiten, möchten wir versuchen, die Veranstaltungen im zweiten Halbjahr möglichst alle stattfinden zu lassen. Sie erleichtern uns unsere Planung, wenn Sie sich möglichst frühzeitig anmelden! Unseren gesamten Veranstaltungskalender finden Sie auf unserer Website.

Zu den Fortbildungen im August:
Für Mitarbeiter*innen von HIER – Hilfen zur interkulturellen Erziehung: 18.08., 14-17 Uhr: Methoden und Materialien in der Arbeit als Familienhilfe

Für Sprachmittler*innen in der Therapie und Beratung von Geflüchteten:
25.08., 10-13 Uhr: Sprachmittlung für LGBTQI-Klient*innen – Wir erarbeiten wir mit Euch & Ihnen, was in der Sprachmittlung für lesbische, schwule und trans* Klient*innen zu beachten ist

Die Veranstaltungen finden ggf. mit begrenzter Teilnehmer*innenzahl oder an einem anderen Ort statt – deshalb bitte anmelden!

Und schon eine Vorabinformation für September:
Einmal pro Jahr stellen wir eine Fachveranstaltung mit besonders hochkarätigen Referent*innen auf die Beine – um für die Belange von Geflüchteten zu werben und auf unsere Arbeit aufmerksam zu machen. Dieses Jahr möchten wir uns auch von Covid-19 nicht davon abhalten lassen und laden Sie herzlich ein:

Am 9.9.2020 mit Prof. Dr. med. Luise Reddemann, Dr. med. Ljiljana Joksimovic und Dipl.-Psych. Christian Gerlach: „Trauma ist nicht alles – Mut machen für die therapeutische Arbeit mit Geflüchteten“.

Mit dieser Veranstaltung soll Mut gemacht werden, Geflüchtete zu unterstützen und die vielfältigen Ressourcen wahr zu nehmen, die viele mitbringen. Zielgruppe sind therapeutisch Tätige, alle in der Flüchtlingsarbeit Beschäftigten und weitere Interessierte. Die Bereitschaft zur mitfühlenden Begegnung, zur konkreten Hilfe und zur Selbstreflektion sind hierbei hilfreicher als manches Spezialwissen. Die Referent*innen beziehen sich auf ihr gemeinsam mit Simone Kaster publiziertes Buch „Trauma ist nicht alles – ein Mutmach-Buch für die Arbeit mit Geflüchteten“ (Reddemann L, Joksimovic L, Kaster S, Gerlach C, Stuttgart: Klett-Cotta 2019).

Wir planen derzeit, die Veranstaltung von 15.30 – 19.30 Uhr als Präsenzveranstaltung in einer ausreichend großen Räumlichkeit mit Berücksichtigung aller Vorsichtsmaßnahmen und begrenzter Teilnehmer*innenzahl durch zu führen. Zum Redaktionsschluss für dieses Mailing stand der Raum noch nicht fest. Je nach Verlauf der Pandemie wird es möglicherweise auch als Webinar durchgeführt- bitte daher zwingend vorher anmelden (Kosten: 20 €, Zertifizierung ist beantragt).

Kommen Sie gut durch den Sommer, erholsame Ferien und bleiben Sie gesund!

Herzliche Grüße aus dem PSZ Düsseldorf