Newsletter April 2022

Sehr geehrte Unterstützer*innen des PSZ, liebe Freund*innen,

uns beschäftigt natürlich weiterhin der Krieg in der Ukraine – eine (erweiterte) Perspektive aus der jahrelangen Arbeit mit russischsprachigen Geflüchteten finden Sie in diesem Newsletter. Darüber hinaus möchten wir die Radbegeisterten unter Ihnen einladen, bei hoffentlich schönen Frühlingswetter am 30.4. mitzumachen bei: Radeln für Menschenrechte. Abschließend möchten wir Ihnen eine Geschichte von einem realen Wudner erzählen.

“Regimegegner, Kriegsopfer und Traumatisierte durch Putins Regime –  in Therapie und Beratung im PSZ Düsseldorf”
Bereits vor dem furchtbaren Angriffskrieg in der Ukraine befanden sich viele russischsprachige Geflüchtete in Beratung und Behandlung im PSZ Düsseldorf; viele von ihnen direkte oder indirekte Verfolgte durch Putins Diktatur. Unter ihnen Kriegsopfer aus dem ersten und zweiten Tschetschenienkrieg, aber auch aus den Kaukasusrepubliken Dagestan, Inguschetien, Kabardino-Balkarien.

Eine tschetschenische Klientin: “Menschen, die Russisch sprechen wie ich, werden jetzt angestarrt. Es erinnert mich alles an den Krieg bei uns in Tschetschenien, alles kommt wieder hoch. Ich will gar nicht darüber reden. 16 Jahre alt war ich, habe zwei Kinder im Krieg geboren. Alles war ausgebombt, zerstört, ausgeraubt, Tote. Ich habe Angst…dass der Krieg hierher kommt, ich bin nicht mehr mutig wie damals. Ich weine um die Kinder, es tut mir so leid, wenn sie all das in der Ukraine durchmachen müssen.“ Die Klientin hat bis heute einen unsicheren Aufenthalt und weiß nicht, ob sie in Deutschland bleiben kann.

Vereinzelt kamen Geflüchtete aus Tadschikistan, Usbekistan und Russland zu uns; einige von ihnen hatten als LGBTQI* Angehörige schwere Gewalt erlebt. Die bunte Bevölkerung Russlands – bunt im Hinblick auf Religionszugehörigkeiten, sprachliche und soziale Vielfalt – brachte auch viele Menschenrechtsaktivist*innen und Blogger hervor. Jedoch – Chancen auf Asyl und Schutz hatten nur die wenigsten, die meisten erhielten mit dem Hinweis auf „inländische Fluchtalternativen“ in Deutschland eine Ablehnung ihres Asylgesuches. Im Gegensatz dazu aber steht die Realität – in einem totalitären Staat kann niemand wirklich sicher sein. Selbst prominente Menschenrechtsaktivist*innen wurden ermordet – Anna Politkowskaja ist eine der bekanntesten unter ihnen.

Ein besonders tragischer Fall hat uns hier im PSZ Düsseldorf beschäftigt – er ist als „Tiergartenmord“ in unseren Medien bekannt geworden; der Täter wurde erst vor wenigen Monaten verurteilt:
Im August 2019 wurde im Tierpark in Berlin ein Mann, Zelimkhan Khangoshvili, am helllichten Tag erschossen. Zuvor hatte er sich bei uns im PSZ gemeldet: Er habe große Angst, sein Asylgesuch sei abgelehnt worden, niemand glaube ihm, er mache sich solche Sorgen um seine Frau und Kinder. Bereits in Georgien habe es einen Mordanschlag auf ihn gegeben. Durch die Ablehnung beim Bundesamt für Migration und Flucht konnten seine Frau und seine Kinder nicht nachkommen; sie befanden sich in sehr schweren Lebensumständen in Polen. Wir vermittelten den Kontakt zu einer Menschenrechtsorganisation dort. Da Herr Khangoshvili sich in Brandenburg aufhielt, konnten wir ihm nur telefonische Stabilisierung anbieten und haben ihn an unsere kompetenten Kolleg*innen in Berlin weitervermittelt.

Im Dezember 2021 wurde das Urteil durch den 2. Strafsenat des Berliner Kammergerichts verkündet: Der Täter, der 56-jährige Vadim K., mutmaßlicher russischer Geheimdienstmitarbeiter, wurde zu lebenslanger Haft verurteilt und die besondere Schwere der Schuld wurde festgestellt. Das Gericht kam nach einem mehr als einjährigen Prozess zu dem Ergebnis, dass der Angeklagte am Tattag im Auftrag der Russischen Föderation aus politischen Motiven tötete. Die Tat sei Staatsterrorismus, so der Vorsitzende Richter Olaf Arnoldi bei der Urteilsbegründung. Abgelehnt aber wurde im Vorfeld das Asylgesuch von Zelimkhan Khangoshvili.

Die Realität ist komplex – die Gruppe der russischsprachigen Menschen vielfältig. Wir möchten in herzlicher Solidarität mit den ukrainischen Geflüchteten für Differenzierung werben, für Sicherheit und Schutz für Menschen, die vor Krieg und Verfolgung und Gewalt fliehen müssen. Viele von ihnen als Verfolgte eines totalitären Regimes. Wir fordern eine Risikobeurteilung in den Asylverfahren, die der Realität angemessen ist und denjenigen dann tatsächlich einen Schutzstatus zuspricht, die sich in Gefahr befinden.

 

***Aktion***

Radeln für Menschenrechte
Radeln macht fit und glücklich – gemeinsam radeln für einen guten Zweck umso mehr! Das ist die Kernidee der Aktion “Radeln für Menschenrechte”, die gemeinsam mit den Rotary Clubs Köln-Rodenkirchen und Wesseling entstanden ist.

Der 30. April ist der Tag, an dem wir gemeinsam für das PSZ radeln um so für das PSZ zu spenden. Die Radtour kann an diesem Tag von jeder teilnehmenden Person oder Familie, Teams, Kolleg*innen unabhängig geplant und durchgeführt werden. Jede*r plant und fährt die eigene Route nach Belieben – und wie bei einem klassischen Spendenlauf spenden Sie selbst oder Freunde, die Sie darum bitten, dann pro erradeltem Kilometer einen Betrag ans PSZ.

Alle weiteren Informationen finden Sie auf der Website https://www.radeln-fuer-menschenrechte.de. Alle Spenden kommen zu 100% dem PSZ zugute. Die Teilnehmenden haben die Möglichkeit, Impressionen von ihrer Radtour auf der Webseite oder über Social Media über den Hashtag #radelnfürmenschenrechte zu teilen und sich auf dem Weg mit anderen Radfahrern zu verbinden.

Mit der Aktion wollen wir:
1. aufmerksam machen auf das Thema Menschenrechte und dafür ein gemeinsames Zeichen setzen – und
2. Spenden für das PSZ sammeln, damit Geflüchtete weiterhin hier Unterstützung finden können, denn traumatisierte Kriegs- und Gewaltopfer, die nach Deutschland geflüchtet sind, benötigen unserer aller Hilfe.

Ein Wunder im Zug – eine Geschichte unserer Therapeutin Esther Mujawayo-Keiner
Nach einem langen, anstrengenden Arbeitstag sitze ich im Zug nach Hause. Meine Gedanken wandern immer wieder zu den heutigen Klienten, schwierige Fälle, vor allem die neuen. Zu Beginn einer Therapie ist es immer aufwühlend, die Geschichten dieser Menschen zu hören, all den Schrecken, der ihnen auf der Flucht begegnet ist. Es scheint mir oft als sei die Person in ein tiefes, schwarzes Loch gefallen, ohne jeden Glauben dort einmal wieder herauszukommen.
Wie jeden Abend versuche ich die heutigen Geschichten bei der Arbeit zu lassen, wie wir selbst es immer wieder in unseren Theorien predigen, um meinerseits den nötigen Frieden und das Gleichgewicht wiederfinden zu können, den nächsten Tag zu beginnen.
Im Zug kommt der Kontrolleur, ein alter Bekannter. Es ist lange her, dass wir uns nicht gesehen haben. Wir grüßen einander und er erzählt mir „Ich war über die Ferien in der Heimat in Afghanistan mit meiner Frau und unseren zwei kleinen Töchtern. Während wir dort waren, haben die Taliban die Macht übernommen und wir saßen fest! Es ist ein Wunder, dass wir es geschafft haben zu fliehen und zurück nach Deutschland zu kommen! Gott ist groß, Allahu Akbar!“
Ich freue mich mit ihm, ja wirklich, Gott ist groß, und verbringe die restliche Zugfahrt mit dem tröstenden Gedanken, dass, von Zeit zu Zeit zum Glück doch auch Wunder geschehen.

Informationen zu unseren Veranstaltungen und Fortbildungen im Mai
Für alle Veranstaltungen sind verbindliche Anmeldungen unter fortbildung [at] psz-duesseldorf [dot] de erforderlich. Die Teilnahme ist kostenfrei.

Wir freuen uns, Sie bei unseren Veranstaltungen zu sehen – wenn auch aufgrund der aktuellen Pandemie-Situation im März weiterhin alle Veranstaltungen digital stattfinden müssen.

Am Dienstag, den 03.05.2022 von 14:00-18:00 Uhr mit Dr. Dima Zito:
Selbstfürsorge und Schutz vor eigenen Belastungen in der Flüchtlingsarbeit.
Angebot für Fachkräfte in der Flüchtlingsarbeit.

Am Mittwoch, den 11.05.2022 von 10:00-13:00 Uhr mit Veronika Wolf:
Die eigene Migration als Ressource.
Angebote für Sprachmittler*innen in der Beratung und Therapie von Geflüchteten.

Am Donnerstag, den 12.05.2022 von 09:00 bis 13:00 Uhr mit Sara Schajan & dem Team des EU-AMIF-Projektes
„Traks – trauma- und kultursensibel für junge Geflüchtete” (PSZ Düsseldorf & Refugio Thüringen): „Geflüchtete Familien, Belastungen von Kindern und Jugendlichen mehr in den Blick nehmen!” Ein Fachgespräch via Zoom.
Was brauchen geflüchtete Eltern und Kinder? Wie können wir stärkend mit Belastungen und Ressourcen von geflüchteten Kindern und Jugendlichen umgehen? Wie erkennen wir besondere Bedarfe und finden niedrigschwellig Zugänge und eine gemeinsame Sprache? In dem Fachgespräch möchten wir Erfahrungen und Ergebnisse aus dem Projekt teilen und im Austausch miteinander reflektieren. Eingeladen sind alle Interessierten, die in ihrem Alltag mit jungen Geflüchteten und Eltern arbeiten oder diese unterstützen.

Am Mittwoch, den 18.05.2022 von 14:00-17:00 Uhr mit Sabine Rauch:
Familienhilfe im Kontext von Flucht und Asylantragstellung.
Angebote für Fachkräfte in Bereich HIER – Hilfen zur interkulturellen Erziehung.

Am Mittwoch, den 25.05.2022 von 15:00-17:00 Uhr mit Dr. Heba Khattab:
Die Bedeutung der Kindheit in der Entwicklung von Wertvorstellungen.
Veranstaltung auf Arabisch. Diese Veranstaltung richtet sich an arabischsprachige Betroffene. Arabischsprachige Fachkräfte und Angehörige sind ebenfalls willkommen!

Den vollständigen Fortbildungskalender mit vielen Veranstaltungen fürs erste Halbjahr und einem Ausblick für das zweite Halbjahr finden Sie hier:
https://psz-duesseldorf.de/fortbildung-forschung/fortbildungskalender/

Herzliche Grüße aus dem PSZ Düsseldorf