Afghanistan geht uns alle an

 „Sobald die deutschen Truppen Ende Juni abgezogen waren, stürmten die Taliban die Camps, zerstörten alles. Sie feierten wie ausgelassene Kinder und sind seitdem vollkommen unberechenbar. Wir sind die ersten, die für unseren Einsatz büßen werden, wir verstecken uns. Was können wir tun? Du bist in Deutschland, sag uns was“, bittet im Juli 2021 eine ehemalige Nachbarin in Afghanistan eine afghanische Kollegin im PSZ Düsseldorf. 

Nach 20 Jahren haben sich die deutsche Bundeswehr, internationale und die US-amerikanischen Truppen komplett aus Afghanistan zurückgezogen – pünktlich vor dem Gedenktag am 11.9.2021. Ein Großteil der afghanischen „Ortskräfte“, also die qualifizierten Fachkräfte und die Helfer*innen, die für deutsche Hilfsorganisationen und die Bundeswehr eingesetzt wurden oder eng mit ihnen zusammenarbeiteten, wurden zurückgelassen. Ihre Evakuierung wurde erst dann unterstützt, als die dramatische Lage den medialen Druck auf die Bundesregierung erhöht hat. Für die überwältigende Mehrheit aber kam jede Hilfe zu spät.  Dabei wäre eine vorzeitig mit dem Truppenabzug geplante Evakuierung ohne weiteres möglich gewesen, ohne die dramatischen Szenen am Kabuler Flughafen und ohne dass Zivilgesellschaft und evakuierende NATO-Truppen ihr Leben hätten riskieren müssen. Stattdessen wurden noch bis Juli 2021 Abschiebungen per Charterflugzeug aus Deutschland nach Afghanistan durchgeführt. Selbst eine Abschiebung im August, an der die Bundesregierung unbedingt festhalten wollte, wurde nur durch den Eilbeschluss des Europäischen Menschengerichtshofs unterbunden. 

Nicht nur die ehemaligen Ortskräfte für deutsche Institutionen sind nun bedroht. Alle Afghan*innen, die sich in den Augen der Taliban durch Arbeit und Engagement für die Regierung, für internationale Organisationen und NGOs (Nicht-Regierungs-Organisationen) auf die Seite der Besatzer gestellt haben und jene, die sich dem Regime der Taliban nicht beugen, drohen Ausschluss und Racheakte. Die angrenzenden Staaten haben ihre Grenzen weitgehend geschlossen. Die Menschen sitzen in einer Falle. Aktuelle und ehemalige Klient*innen des PSZ Düsseldorf wenden sich erneut an uns ‒ die Sorge um ihre Familienangehörigen lässt die Alpträume der Vergangenheit wiedererwachen.

Aus der Psychotherapie mit afghanischen Geflüchteten kennen wir die ungeheuren Gräueltaten, die denjenigen angetan werden, welche durch die Taliban als Kollaborateure und Verräter*innen eingestuft werden. 

 „Als wir uns weigerten, sie zu unterstützen, übten sie ihre Rache aus. Mein Cousin wurde vor den Augen seiner Mutter vergewaltigt. Meinen Onkel verschleppten sie. Später fanden wir seinen Leichnam, wir haben ihn fast nicht wiedererkannt. Seinen Kopf fanden wir nicht, wir mussten ihn so beerdigen“, schilderte ein afghanischer Klient, dessen Bruder für die Bundeswehr arbeitete. 

Wir im PSZ wissen, was Traumatisierung bedeutet und haben das Leid afghanischer Menschen buchstäblich „hautnah vor Augen“, wenn wir – beispielsweise in der ärztlichen Untersuchung – ihre Spuren von Folter und Gewalt dokumentieren. Und wir erleben jetzt, wie lebensbedrohlich die aktuelle Lage in Afghanistan ist. Sie verschärft die transgenerationale Weitergabe dieser seelischen Wunden, für die afghanische, die deutsche und die globale Gesellschaft.
Nach 42 Jahren Krieg in Afghanistan sind bereits mehr als zwei Generationen betroffen. Gleichzeitig demonstrieren die Menschen vor Ort unerschrocken für ihre Rechte und die afghanische Exilcommunity unterstützt ihre Landsleute, wo immer es möglich ist.

Das PSZ Düsseldorf fordert daher:

  • dauerhaften, transparenten Abschiebestopp nach Afghanistan ‒ denn sogar aktuell werden afghanische Klient*innen unter Druck gesetzt und mit Abschiebung bedroht.
  • unverzügliche, schnelle und unbürokratische Einreise (notfalls ohne Pass und mittels Visa on arrival) für afghanische Ortskräfte, welche für deutsche Hilfsorganisationen, für Polizei und Bundeswehr gearbeitet haben.
  • sichere Fluchtwege für die Menschen in der Zivilbevölkerung, denen elementare Rechte verwehrt werden und denen schwere Menschenrechtsverletzungen drohen. 
  • unbürokratische schnelle Aufnahme in Deutschland ‒ und kein monatelanger Verbleib in großen Gemeinschaftsunterkünften, ohne Perspektive und mit langen, zermürbenden Asylverfahren.   

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