Aktuelles aus dem PSZ
Sehr geehrte Unterstützer*innen des PSZ, liebe Freund*innen,
in diesem Newsletter stellen wir Ihnen und Euch unseren neuen Kollegen Morad Jafari vor – herzlich willkommen Morad!
Tom Siebertz, Jurist im PSZ, äußert sich außerdem zu der geplanten Reform der EU Innenminister*innen zum gemeinsamen europäischen Asylsystem.
Vorstellung eines neuen Mitarbeiters – Morad Jafari
Team: Hilfen zur Erziehung
Stundenumfang: 30h/Woche
Motivation für die Arbeit im PSZ: Meinen Beitrag zur Integration und zum Wohlgefühl von Menschen mit Migrationshintergrund und Fluchtgeschichte zu leisten.
Erster Eindruck: Ein sehr motiviertes und engagiertes Team von Fachkräften in verschiedenen Arbeitsbereiche wie psychosozialen und therapeutische Belange von Menschen mit Fluchterfahrung sowie Hilfen zur interkulturellen Erziehung.
Eine populistische Scheinlösung und Ausverkauf europäischer Grundwerte, verkauft als historischen Durchbruch – der Beschluss der EU Innenminister*innen zur Reform des gemeinsamen europäischen Asylsystems
Es ist bitter, dass der kleinste gemeinsame Nenner in einem Europa der in Migrationsfragen überwiegend nationalistischen und populistischen Regierungen, die Einführung von Scheinverfahren unter Haftbedingungen an den Außengrenzen, sowie die weitere Ausweitung von sogenannten sicheren Drittländern durch nationale Entscheidung und damit die faktische Abschaffung eines fairen Asylverfahrens für einen großen Teil der Ankommenden ist.
Die Inhalte aus dem Beschluss lesen sich wie ein Wahlprogramm der rechtspopulistischen Parteien, die es geschafft haben, mit der Angst vor Migration und markiger Abschottungs-Rhetorik, die Suche nach pragmatischen und wertebasierten Lösungen zu verhindern: Schnellverfahren, Inhaftierung, Deklarierung von autokratischen Regimen zu sicheren Drittländern, pauschale Spaltung in willkommene und abzuweisende Geflüchtete nach Herkunftsland anhand von Anerkennungsquoten statt individueller Prüfung.
Das Hauptproblem des gescheiterten Dublin Systems, welches anerkanntermaßen weder die Sekundärmigration in den Griff bekommt (Deutschland z.B. überstellt weniger Menschen in andere Dublin Länder, als über Dublin wieder zurückkommen), noch die besondere Belastung der Staaten an den Außengrenzen mildert, wird nicht angerührt. Ein verpflichtendes solidarisches Verteilsystem innerhalb der EU scheitert an der nationalistischen Mehrheit der Mitgliedstaaten. Am Anreiz der EU Grenzstaaten Geflüchtete lieber gar nicht erst ankommen zu lassen, ohne Prüfung in sogenannte sichere Drittstaaten zurückzuschieben und ansonsten die Aufnahmebedingungen so prekär wie möglich zu halten, damit die Schutzsuchenden weiterziehen, daran wird sich durch das neue System nichts ändern – im Gegenteil. Wie zahlreiche Analysen von Expert*innen wie z.B. des ECRE oder des grünen EU Parlamentariers Marquardt unmissverständlich deutlich machen: Hier wurde sich auf populistische Scheinlösungen geeinigt, um um jeden Preis handlungsfähig zu erscheinen.
Die Gewinner*innen sind rechtspopulistische Regierungen, die durch ihre jahrelange Blockadehaltung zum gemeinsamen Asylsystem jetzt weitestgehend ihre Agenda durchgesetzt haben, einfach um irgendeine Einigung zu erreichen. Wer daneben auch gewinnen wird, sind die Schlepper, deren Geschäft mit der Not der Menschen durch den steigenden Druck, die EU Grenzstaaten möglichst zu umgehen, noch lukrativer werden wird.
Die Verlierer sind die Schutzsuchenden und die menschenrechtlichen Kernwerte der EU. Dabei hätte man mit der unbürokratischen und solidarischen Aufnahme der Menschen aus der Ukraine eine Blaupause gehabt, dass es mit schneller Anerkennung, Zugang zum Arbeitsmarkt und Sprachkursen auch ganz anders laufen kann.
Was würde dieses neue System für unsere Arbeit mit besonders traumatisierten Opfern von Gewalt und Folter bedeuten? Ein großer Teil unserer Klient*innen stammen aus Ländern, deren Anerkennungsquote in Deutschland unter 20 % liegt (EU weit divergieren die Schutzquoten sogar so stark, dass sie allein deshalb eine willkürliche, politisch veränderbare Marke sind). Trotzdem erhält ein Großteil von ihnen durch Zeit zum Ankommen, psychosoziale Unterstützung und Therapie, fundierte psychologische Stellungnahmen, teils unter Hinzuziehung rechtsmedizinischer Gutachten von Folterspuren, am Ende doch einen Schutzstatus. Diese Realität führt ganz praktisch vor Augen, dass eine faire Entscheidung über einen Asylantrag nur mit psychosozialer, therapeutischer und rechtlicher Unterstützung in einer menschenwürdigen Umgebung denkbar ist. Die populistische Spaltung in willkommene Geflüchtete mit guter Quote und solche mit vermeintlich schlechter Quote, die dann in Schnellverfahren unter Haftbedingungen gedrängt werden sollen, wird dazu führen, dass viele Geflüchtete, die Schutz dringend brauchen, abgelehnt werden.
Pauschale Scheinlösungen treffen immer besonders vulnerable Minderheiten. Die guineische Klientin, die vor Zwangsverheiratung, Vergewaltigung in der Ehe und neuerlicher Beschneidung flieht, hat in Deutschland sehr gute Chancen auf eine Flüchtlingsanerkennung. Die Tatsache, dass aber die meisten Guineer, welche es bis nach Deutschland schaffen, Männer sind und mehrheitlich abgelehnt werden, führt dazu, dass die Schutzquote für Guinea niedriger ist. Ebenso bei dem Klienten, der wegen seiner Identität als Transmann und wegen massiver trans- und homofeindlichen Gewalt aus Nigeria geflüchtet ist. Wenn es nach den EU Innenminister*innen geht, sollen diese Klient*innen aber gar nicht mehr in Deutschland ankommen, sondern in Schnellverfahren unter Haftbedingungen abgearbeitet und möglichst schnell wieder in ihre Herkunftsländer, bzw. in von Italien, Griechenland oder Malta als sicher eingestufte Drittstaaten abgeschoben zu werden. Dass diese Klient*innen unter Haftbedingungen, ohne psychosoziale Betreuung geschweige denn Therapie in der Lage sein werden, ihre Fluchtgründe glaubhaft zu offenbaren, ist mehr als zweifelhaft.
Alle Hoffnungen liegen jetzt auf dem Europäischen Parlament, welches im Trilog am Gesetzgebungsverfahren beteiligt wird. Dass bei so grundlegend falsch gestellten Weichen aber am Ende das Ruder noch herumgerissen wird in Richtung eines ernsthaft solidarischen und an den Grundwerten der EU orientierten gemeinsamen Asylsystems, ist wohl leider sehr unwahrscheinlich.
Herzliche Grüße aus dem PSZ