Sehr geehrte Unterstützer*innen des PSZ, liebe Freund*innen,
wir wünschen Ihnen und Euch nachträglich ein frohes und gesundes neues Jahr 2024. Wir hoffen sehr, dass Sie und Ihr gut in das neue Jahr gestartet sind und freuen uns sehr, dass Sie und Ihr uns auch im Jahr 2024 durch unseren Newsletter begleiten.
Anlässlich der erschreckenden Lage in Deutschland und in anderen Ländern, die nun schon seit ein paar Monaten andauert, rufen wir zur Humanität auf. Zwar schreiben wir diesen Aufruf von einem Schreibtisch in Deutschland, wir erleben jedoch täglich, wie die aktuelle Situation in vielen Ländern dieser Welt unsere Klient*innen und unsere Verbündeten betrifft. Der Aufruf wird bald auch auf unserer Website in verschiedenen Sprachen zu lesen sein.
Unsere Kolleginnen Esther Mujawayo-Keiner und Carina Heyde wurden im September 2023 von der Kirchengemeinde Jülich eingeladen, das Projekt „Vivre l’espoir“ zu besuchen – Carina Heyde berichtet über den Aufenthalt.
Wir informieren Sie zusätzlich gerne über unsere Fortbildungsangebote im Januar und Februar 2024.
Aufruf zur Humanität!
Wir, das Team des Psychosozialen Zentrums für Geflüchtete Düsseldorf, arbeiten mit weiteren Verbündeten für Menschen, die schwere Gewalt, Krieg, Verfolgung, Terror und Folter überlebt haben. Wir wissen, was solche Erfahrungen für die Betroffenen, ihre Familien und Freund*innen auslöst. Wir wollen gemeinsam Position beziehen, in Sorge über die Situation hier in Deutschland – und unser Mitgefühl ausdrücken:
Wir sind entsetzt und fassungslos über die eskalierende Brutalität. Wir verurteilen Gewalt und Terror, das Sterben Unschuldiger, das Töten von Menschen in der Zivilbevölkerung. Das ist leicht gesagt, von einem Schreibtisch in Deutschland aus geschrieben. Was wir meinen – und auf Amharisch, auf Armenisch, auf Arabisch, auf Dari, auf Deutsch, auf Englisch, auf Farsi, auf Französisch, auf Hebräisch, auf Kurdisch, auf Lingala, auf Russisch, auf Türkisch, auf Ukrainisch schreiben:
Jeder getötete Mensch hat eine Familie, hat Nachbar*innen, Freund*innen, Kolleg*innen, die trauern und deren Welt zusammenbricht wie ein Kartenhaus.
Der gewaltsame Tod kann jeden treffen – Eltern, Tanten, Onkel , Brüder, Schwestern, Kinder!
Wir sind alle Menschen, unabhängig davon, wo die Verwandten heute leben, wo die Eltern geboren wurden – ob in Afghanistan, in Äthiopien, in Berg-Karabach, in Deutschland, im Gaza Streifen, im Irak, im Iran, in Israel, im Kongo, in Kurdistan, in Russland, im Sudan, in Syrien, in der Türkei oder in der Ukraine.
Es geht um das Miteinander hier, jetzt, heute. Denn es braucht nun die Kraft, gegen den Strom zu schwimmen!
Hass richtet sich allzu schnell gegen alle „Anderen“, Parolen und Propaganda werden laut, anstatt den Schmerz und die Ungerechtigkeit zu benennen.
Hass richtet doch wieder nur neues Leid an. Traumata und Leid – teils über viele Generationen hinweg – scheint die Bösartigkeit der „Anderen“ nur zu bestätigen.
Was es braucht?
Jenseits der großen politischen Lösungen brauchen wir den Mut und die Klugheit jeder einzelnen von uns!
– Die Gemeinsamkeiten betonen.
– Im Anderen den Menschen, das Individuum sehen.
– Sich nicht zufrieden geben mit Stereotypen, die alle Menschen in einen Topf werfen (in Bezug auf Nationalzugehörigkeit, Religion, Herkunft oder…oder…).
– Sich nicht instrumentalisieren lassen von Politik und Machtspielen
– Sich gegenseitig zuhören und beistehen, den Schmerz zulassen.
Denn es ist immer der Bruder/Ehemann/Vater/Sohn/ von jemanden, der geliebt wurde und der getötet wird. Das geliebte Kind von jemandem, das stirbt. Die geliebte Schwester/Frau/Mutter/Tochter von jemanden, der Gewalt angetan wird. Ein Mensch.
Wir lassen nicht zu, dass sich gegenseitig das Menschliche abgesprochen wird. Denn wir wissen, wohin das führen kann.
Klare Sicht auf Humanität! Mut zur Menschlichkeit – gegen den Strom schwimmen und eine Stimme erheben, hier und heute!
*Trigger-/Inhaltswarnung – der folgende Text erhält bildhafte Darstellungen von den Folgen schwerer Gewalt und Folter*
Marokko – Besuch des Projektes „Vivre l’espoir“
Am 13. September 2023 folgten wir, Esther Mujawayo-Keiner und Carina Heyde, der Einladung der Kirchengemeinde Jülich und reisten nach Oujda in Marokko, um das Projekt „Vivre l’espoir“ zu besuchen und zu unterstützen. In der ältesten Kirche Marokkos, zwischen einer Moschee und dem Haus des Königs gelegen, können dort Migrant*innen für ein paar Tage zur Ruhe kommen, bevor sie sich weiter auf die gefährliche Reise nach Europa begeben. Wer erwachsen und körperlich unverletzt ist, darf ca. zwei Tage bleiben, bekommt dreimal am Tag etwas zu essen, ein Bett und eine Dusche. Wir konnten aber auch viele Minderjährige kennenlernen, die schon seit mehreren Jahren durch das Team betreut werden. Andere kommen mit schweren Erkrankungen, die medizinisch versorgt werden müssen. Sie können dann so lange bleiben, bis sie wieder gesund sind.
Den Kern der Kirche stellt ein großer Saal dar, indem alles stattfindet – schlafen, essen, ein Fernseher, auf dem Musik läuft, die ich selbst nur zu gut kenne – Afrobeats. Wenn wir den Raum betreten, beginnen wir, zu der Musik zu tanzen, ein paar Menschen heben den Kopf und müssen vorsichtig grinsen. Zwischendurch burundische Telenovelas. Während der Fernseher läuft ist absolute Stille. Fünf Menschen liegen auf dem Boden, neben ihnen Krücken. Nach einiger Zeit zeigen sie uns die Folgen zertrümmerter Knochen und unbehandelter Krankheiten. Einem jungen Mann mussten beide Vorderfüße amputiert werden. Ein anderer hätte nach einem Hundebiss fast seinen Fuß verloren, weil die Krankenhäuser sich geweigert haben, ihn zu behandeln. Noch ein anderer liegt fast durchgängig auf dem Boden, weil sein ganzes Bein in einen Gips eingehüllt ist. In einem Gespräch erzählt er uns, dass die Polizei mit einem Stein so häufig auf sein Bein eingeschlagen hätte, dass alle Knochen zertrümmert gewesen seien. Nach mehreren Operationen müsse er nun vier Monate warten, bis die Verletzungen abgeheilt sind und er wieder laufen kann.
Die Jugendlichen beschreiben uns, wie sie zu Hunderten festgenommen wurden und ihnen nur etwas Kleines zu essen gegeben wurde und dann sei Schlafenszeit gewesen – alle beginnen zu lachen „manger et dormir“ (essen und schlafen) – erst nach einiger Zeit verstehe ich, dass den Geflüchteten Beruhigungsmittel verabreicht werden, um sie danach in Busse zu setzen und in der Nacht in der Wüste auszusetzen – in vielen Fällen ein Todesurteil. Diejenigen, die noch nicht betäubt sind, verstehen, dass sie die Fenster zerschlagen und während der Fahrt aus dem Bus springen müssen. Ein Junge beschreibt, wie er dabei seine Schulter verletzte und auf dem Boden liegend beobachtete, wie mehrere Dutzend Personen nach ihm auf dem Weg aufkamen. Ein anderer verlor dabei seinen besten Freund, da er sich an den Scherben des Fensters den Bauchraum aufgeschnitten hatte. Noch bis heute sieht er sein Gesicht vor seinen Augen und kann nicht schlafen.
Unter ihnen hat sich ein neues Wort etabliert: „boxer“ – ein Verb, um zu beschreiben, wie man die Kontrolle verliert, leise vor sich hinspricht, die Orientierung verliert. „Irgendwann ist jeder mal boxé, man muss sich dann nur schnell wieder zusammenreißen, damit man überlebt.“
Zwischendurch können wir ein intensives Gespräch mit einem 17-jährigen aus Liberia führen, mit 13 hat er sein Land verlassen und steckte dann drei Jahre lang in Libyen im Gefangenenlager fest. Auch er sei boxé gewesen, bis er im Projekt in Oujda aufgenommen worden sei: „Irgendwann habe ich einfach aufgehört zu sprechen, denn sobald ich meinen Mund aufgemacht habe, sprach ich nur von dem, was ich gesehen hatte. An etwas Anderes konnte ich nicht mehr denken. Ich bin vielleicht noch jung, aber ein Kind bin ich schon seit vier Jahren nicht mehr.“
Während sie von ihren unzähligen Gewalterfahrungen erzählen, kommt ein Wort immer wieder in meinen Kopf: Entmenschlichung. Vor mir sitzen junge Menschen mit einem Traum, der Traum von einem besseren Leben und einer sicheren Zukunft. In dem Moment, wo sie ihr Heimatland verlassen, werden sie von Hand zu Hand verkauft, misshandelt und bedroht – und dabei wird ihnen durchgängig gespiegelt, dass sie keine Menschen, sondern nur noch Ware sind. Gemeinsam sprechen wir über das Thema „Mensch sein“. Alles, was wir am Ende tun können, ist ihnen immer wieder mit vollem Herzen zu sagen, dass sie niemals vergessen dürfen, dass sie das gleiche Leben verdienen, wie alle anderen, dass sie Menschen sind. Und wir können nur hoffen, dass sie das nie vergessen werden.
Fortbildungen Januar und Februar 2024
Für alle Veranstaltungen sind verbindliche Anmeldungen unter fortbildung [at] psz-duesseldorf [dot] de erforderlich. Die Teilnahme ist kostenfrei.
Am Mittwoch, den 17.01.2024 von 10:00 – 12:00 Uhr mit Ana Berking und Sabine Rauch: „Organisatorisches Treffen für Sprachmittler*innen“.
Bei einem gemütlichen Frühstück können alle Fragen rund um Verträge, Abrechnungsformulare und Sonstiges für das kommende Jahr besprochen werden.
Angebot für Sprachmittler*innen.
Der Austausch findet im PSZ Düsseldorf im Gruppenraum in der 3.Etage statt.
Am Freitag, den 19.01.2024 von 16:00 – 19:30 Uhr und am Samstag, den 20.01.2023 von 9:00 – 16:15 Uhr,
Veranstaltung von der Psychotherapeutenkammer NRW in Kooperation mit der Ärztekammer Nordrhein, in Zusammenarbeit mit dem PSZ:
„Begutachtung psychischer reaktiver Traumafolgen in aufenthaltsrechtlichen Verfahren Teil II“.
Angebot für Ärzt*innen, Psycholog*innen und Psychotherapeut*innen.
Die Veranstaltung findet in der Psychotherapeutenkammer in NRW, Willstätterstr. 10 in 40549 Düsseldorf statt.
Anmeldung über die PTK:
https://www.ptk-nrw.de/aktuelles/ptk-nrw-fortbildungen/sbpm-teil-ii
Fragen können an Eva van Keuk (vankeuk [at] psz-duesseldorf [dot] de) und Veronika Wolf(wolf [at] psz-duesseldorf [dot] de) gestellt werden.
Am Dienstag, den 23.01.2024 von 10:00 – 13:00 Uhr mit Morad Jafari, Bitta Farzin und Hela Meier aus dem Hilfen zur Erziehungsteam:
„Schriftliches in den Hilfen zur Erziehung: Berichte verfassen, Beobachtungen dokumentieren und Strukturhilfen nutzen“.
Angebot für Fachkräfte der Ambulanten Hilfen zur Erziehung (SGB VIII).
Die Fortbildung findet im PSZ Düsseldorf im Gruppenraum in der 3.Etage statt.
Am Mittwoch, den 28.02.2024 von 10:00 – 13:00 Uhr mit Sabine Rauch:
„Grundlagenschulung: Sprachmittlung im Psychosozialen Kontext von Beratung, Stabilisierung und Therapie“.
Angebot für Sprachmittler*innen.
Die Fortbildung findet im PSZ Düsseldorf im Gruppenraum in der 3.Etage statt.
Der vollständige Fortbildungskalender für 2024 wird bald auch auf unserer Homepage erscheinen. Schauen Sie doch gerne mal vorbei!
Wir wünschen Ihnen weiterhin einen guten Start in das neue Jahr 2024!
Ihr PSZ