Newsletter September 2021

Sehr geehrte Unterstützer*innen des PSZ, liebe Freund*innen,

heute möchten wir von unserer Arbeit mit afghanischen Klient*innen berichten, die direkt und indirekt von der aktuellen Situation betroffen sind, und wie immer einen Überblick über unsere Veranstaltungen in den nächsten Monaten September und Oktober geben.

Wie das PSZ versucht, afghanische Klient*innen und ihre Familien in der aktuellen Situation zu unterstützen.

2 beispielhafte Fälle:
Mit Hochdruck wird versucht, die Familie eines Klienten auf die Evakuierungslisten zu bekommen. Der Klient selbst ist Mitte 20, inzwischen gut integriert, berufstätig. Sein Vater war hochrangiger Polizist beim afghanischen Innenministerium. Über Jahre war er in gemeinsamen Einsätzen mit der deutschen Bundeswehr und den ISAF-Truppen aktiv. Hierfür gibt es zahlreiche Unterlagen und Urkunden, die auch im Asylverfahren des Sohnes (des PSZ-Klienten) beim Verwaltungsgericht vorgelegt und überprüft wurden, weswegen ihm die Flüchtlingseigenschaft zugesprochen wurde. Der Vater selbst wollte Afghanistan lange nicht verlassen. Er hatte an die neue Regierung geglaubt und dafür sein Leben riskiert. Zusammen mit der schwerkranken Mutter des Klienten und vier minderjährigen Kindern – der Jüngste ist sechs Jahre alt – hält er sich in Kabul auf. Seit klar ist, dass die Lage aussichtslos ist, wird versucht, die Familie zu retten. Zunächst wurden nur direkte Angestellte der Bundeswehr auf die Evakuierungslisten genommen. Die enge Kooperation, gemeinsame Einsätze und Ausbildungen, waren zunächst nicht ausreichend. Als endlich die Erweiterung auf andere von den Taliban besonders gefährdete Gruppen und NGO-Mitarbeiter*innen beschlossen wurde, war die Situation bereits chaotisch und extrem gefährlich. Alle entsprechenden Aufrufe wurden von Regierungsseite ignoriert, der Zeitpunkt verpasst. Nun versuchen wir weiterhin, den Vater mit Ehefrau und Kindern auf die Evakuierungsliste setzen zu lassen, immer neue Mails an immer neue eMail-Adressen werden verschickt, bislang ohne Erfolg. Und selbst wenn es gelingen würde, dass die Familie des Klienten auf die Liste aufgenommen wird – es bleibt das Problem, wie sie sicher zum Flughafen und dort hinein gelangen kann. Neben dem Versuch, das alles zu organisieren, geht es auch darum, unseren jungen alleinstehenden Klienten, der den Eindruck hat, sein Vater habe alle Hoffnung aufgegeben, darin zu unterstützen, die hilflose Situation auszuhalten.

Jetzt, mehr als zwei Wochen nach Ende der Evakuierungsflüge, ist mit dem letzten Flugzeug auch die letzte Hoffnung dahin. Zwar beteuert das Auswärtige Amt, dass alle ca. 40.000 bis Ende August Gelisteten nacheinander kontaktiert würden, nur ist völlig ungewiss, ob die Familie bis dahin unbehelligt bleibt von den neuen Machthabern in Kabul. Immer wieder kommen Taliban-Kämpfer in das Viertel, in welchem bevorzugt Regierungsmitarbeiter untergebracht sind, und verhaften Menschen. Der jüngere Bruder des Klienten geht nur aus dem Haus, um Geld aus den überfüllten Banken zu holen und Essen zu kaufen. Umgerechnet 200 Dollar pro Woche können wieder abgehoben werden, Nahrungsmittel werden immer teurer. Und selbst wenn die Aufnahmezusage kommen würde, bevor sie verhaftet werden: wie sollen sie sicher nach Islamabad oder Neu-Delhi kommen, um ihr Visum und einen Flug nach Deutschland zu bekommen? Die Belastung unseres  Klienten drückt sich zunehmend körperlich durch Erbrechen und Schwächeanfälle aus.

Bei einem anderen Fall geht es um einen verschleppten Familiennachzug der Geschwister eines PSZ-Klienten. Er war als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling nach Deutschland gekommen und hatte die Flüchtlingseigenschaft erhalten. Im Rahmen des Familiennachzugs war nur seinen Eltern ein Visum erteilt worden, wie seit Jahren die inhumane Praxis des Auswärtigen Amtes in all diesen Fällen. Die minderjährigen Geschwister mussten in Afghanistan zurückgelassen werden. Den Eltern gelang es hier schließlich, auch für sich die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt zu bekommen. Endlich sollten sie ihre jüngeren Kinder nachholen können! Diese hatten einen Termin für die Visumserteilung in Islamabad am  07.09. Nun hängen sie in Kabul fest und kommen nicht zur Botschaft, um das Visum zu holen. Die finanzielle Unterstützung ist seit der Invasion abgebrochen. Der Visumstermin der Kinder ist nunmehr ungenutzt verfallen. Selbst wenn das Auswärtige Amt beteuert, dass sie auch aus allen anderen Nachbarländern ihr Visumverfahren weiter betreiben können: wie sollen sie sicher dorthin gelangen, insbesondere die 16-jährige unverheiratete Tochter der PSZ Klienten?

Ein weiteres humanitäres Drama, das nicht hätte sein müssen.

Die afghanischen Klient*innen, die täglich um ihre Familienangehörigen bangen, sind bis an ihre Grenzen belastet und erschöpft.

Für uns Fachkräfte in der täglichen PSZ Arbeit ist der Spagat ein Kraftakt: Auf der politischen Ebene zu erleben, dass die Initiative einzelner Bundesländer für ein humanitäres Aufnahmeprogramm durch den amtierenden Bundesinnenminister blockiert wird. Dass alle hiesigen Versprechen auf „unbürokratische Hilfen“ verblassen, während Menschenleben in Afghanistan täglich gefährdet sind. Und andererseits in unserer täglichen Arbeit konkrete Unterstützungsangebote zu machen, Kraft und Trost zu spenden für unsere afghanischen Klient*innen – deren Stärke sich auch durch den afghanischen Widerstand gegen das neue Regime nährt.

Für unseren Hintergrundtext zum Thema “Afghanistan geht uns alle an”, klicken Sie bitte hier. 

Informationen zu unseren Veranstaltungen und Fortbildungen im September und Oktober:
Aufgrund der aktuellen Pandemie-Situation finden weiterhin alle Veranstaltungen digital statt.

Am Donnerstag, den 07.10.2021 von 09:30-14:00 Uhr mit Sabine Rauch und Leila Corzo Menéndez „Psychisch belastete Eltern und ihre Kinder“. Fortbildung für Fachkräfte in HIER (Hilfen zur interkulturellen Erziehung).

Am Dienstag, den 19.10.2021 von 14:00-18:00 Uhr mit Dr. Dima Zito: „Trauma-Basis-Schulung“. Fortbildung für Fachkräfte in der Flüchtlingsarbeit.

Die Teilnahme ist kostenlos. Bitte melden Sie sich verbindlich an, damit wir planen können. Zur einfacheren Zuordnung bitten wir Sie eine Mail mit Angabe des Titels und dem Datum der Veranstaltung an unsere Kollegin Martina Höttges an folgende Mailadresse zu schicken: fortbildung [at] psz-duesseldorf [dot] de.

Über die Veranstaltungen im November werden wir Sie in diesem Mailing Mitte Oktober informieren.

Den Veranstaltungskalender für das Jahr 2021 finden Sie auch online auf unserer Webseite. Schauen Sie doch gerne mal vorbei: Fortbildungskalender

Herzliche Grüße aus dem PSZ Düsseldorf