Newsletter März 2022

Sehr geehrte Unterstützer*innen des PSZ, liebe Freund*innen,
in den letzten Wochen hat sich die politische Situation in Europa fundamental verändert, sodass der erfolgreiche Abschluss unserer Spendenkampagne (ein großes Dankeschön an Sie alle!) verdrängt wird von dem Krieg in der Ukraine, zudem wir uns hier kurz äußern wollen. Darüber hinaus möchten wir für unsere Klient*innen und ihre Angehörigen so bedrohliche Realität in Afghanistan mit Ihnen teilen, dessen Zeug*innen wir in vielen Einzelfällen werden und die, angesichts der bisherigen Tatenlosigkeit der Bundesregierung, bei uns viel Ohnmacht und Wut erzeugt.

Solidarität für alle Menschen in der Ukraine und in anderen Kriegsregionen dieser Welt!
Der Krieg in der Ukraine verursacht schweres menschliches Leid, seelische und körperliche Wunden, er zerreißt Familien und sorgt für Flucht, Verlust, Tod – wie jeder Krieg in den Herkunftsländern der PSZ Klient*innen. Bereits seit 2014 sterben Menschen in der Ukraine infolge der militärischen Interventionen, aber die Entwicklungen seit dem 24.2.22 zeigen eine neue Eskalationsstufe und eine massive Bedrohung, für alle. Wir möchten unsere ungeteilte Solidarität aussprechen für alle Menschen in der Ukraine und in anderen Kriegsregionen dieser Welt, die Kriegshandlungen ausgesetzt sind und täglich um ihr Leben bangen müssen. Im PSZ Düsseldorf befinden sich viele geflüchtete Kriegsüberlebende in Beratung und Therapie, ebenso wie Regimegegner*innen, die mit Verfolgung, Folter und Tod bedroht wurden – beispielsweise auch durch das russische Regime. Unser großer Respekt gilt daher auch den mutigen Demonstrant*innen und Journalist*innen, die in Russland ihren Protest öffentlich kundtun oder Informationen veröffentlichen und damit ihr Leib und Leben riskieren – für die Achtung der Menschenwürde, für Frieden und Demokratie. Wir sind durch unsere Einzelfallarbeit Zeug*innen dessen, was Regimegegner*innen angetan werden kann.

Wir unterstützen die Aufnahmebereitschaft der Gesellschaft, des Landes, der Bundesregierung und der EU, ukrainischen Geflüchteten schnell und unbürokratisch einen Schutzstatus – ohne Asylverfahren- zu gewähren. Geflüchtete benötigen neben unmittelbaren Schutz, Nahrung und Gesundheitsversorgung eine reale Perspektive, einen Zugang zu Bildung und Regelschule, menschenwürdige Wohnsituationen sowie die Möglichkeit zur Partizipation in dieser Gesellschaft. So finden viele von ihnen einen Weg zurück in die Normalität und in ein Leben ohne Angst. Dies gilt für alle Flüchtenden weltweit, die wegen Gewalt, Krieg, Verfolgung ihre Heimat verlassen. Wir setzen uns für eine Gesellschaft ein, die bereit ist, Flüchtende aufzunehmen und willkommen zu heißen – unabhängig von Herkunft, von Hautfarbe und Religion. Unsere Sorge gilt aktuell jenen Geflüchteten, die ihrerseits Schutz gesucht hatten in der demokratischen Ukraine – beispielsweise aus Tschetschenien, aus Belarus und anderen Staaten der ehemaligen Sowjetunion, sowie ausländischen Studierenden in der Ukraine, viele aus afrikanischen Herkunftsstaaten. Es ist unklar, über welchen Nationalpass sie jeweils verfügen, wie schnell sie Aufnahme in anderen Ländern finden können. Wir wissen aber u.a. aus den schmerzhaften Erfahrungen in Libyen, dass marginalisierte Migrant*innen im Falle von militärischen Auseinandersetzungen in eine besonders schutzlose Situation geraten und für sie in der Regel extrem wenig Unterstützung vor Ort und reale Fluchtoptionen bestehen. Diese Gruppe bedarf besonderen Schutzes, sichere Fluchtrouten und guter Aufnahmebedingungen.

Ungehörte Hilferufe aus Afghanistan
Im Schatten der weltweiten Aufmerksamkeit für den Krieg in der Ukraine, führen die Taliban seit einigen Wochen intensiviert gezielte Hausdurchsuchungen durch. Die Ehefrau eines Klienten, welche sich, finanziert durch den Klienten aus Deutschland, mit den beiden kleinen gemeinsamen Kindern in einer Wohnung in Kabul versteckt hält, bekam bereits vor knapp drei Wochen Besuch von den Taliban. Diese waren genau darüber informiert, dass der Klient in Deutschland ist und verlangten daraufhin von der Ehefrau Schutzgeld. Für die Familie eines anderen Klienten, die bereits Gegenstand vorheriger Mailings war, war der Besuch der Taliban am Abend des ersten März noch ungleich bedrohlicher. Die Taliban waren auch in diesem Fall genauestens informiert, wussten, dass der Familien Vater hochrangig beim afghanischen Innenministerium gearbeitet hatte und in diesem Rahmen unzählige Einsätze gegen die Taliban koordiniert hat und selbst beteiligt war. Sie wollten es aber nochmal von ihm bestätigt haben und fragten nach Details. Sie fragten ihn auch über einen Arbeitskollegen aus. Sie suchten nach Waffen und Dokumenten und wollten die Uniform des Vaters mitnehmen. Die Dokumente fanden sie nicht, da der Vater diese vergraben hat. Auch die Uniform hat er verbrannt. Die Taliban nahmen deshalb den Gürtel der Uniform mit. Alles wurde genau dokumentiert und registriert, dass der Vater noch dort wohnt. Wie schwer sein Vater bei der Durchsuchung verletzt wurde, kann der Klient nicht sagen, da die Telefonverbindung sehr schlecht war und sein Vater ihn wahrscheinlich nicht noch mehr belasten wollte. Die Familie ist verzweifelt in der Erwartung der bald erwarteten Rache-Justiz der Taliban. Mittlerweile erreichte uns die Nachricht, dass der Vater des Klienten nach einem weiteren Besuch der Taliban sofort untergetaucht ist und versuchen wird sich allein bei Verwandten weit weg von Kabul zu verstecken. Die Familie (sieben Kinder, sechs davon minderjährig) kann sich nicht über einen längeren Zeitraum in Afghanistan verstecken, eine Flucht in die Illegalität in Pakistan ist nahezu ausgeschlossen. Es bleibt  nur noch der 20-Jährige Bruder des Klienten, der die Wohnung verlassen kann, um die für das Überleben der Familie notwendigen Besorgungen zu machen. Inwiefern die Familie weiter unter Druck gesetzt werden wird, um den Vater zu zwingen sich zu stellen oder ob sie gleich an seiner Statt bestraft werden, ist der Willkür der Taliban überlassen. Gleichzeitig gibt es nach wie vor keinerlei Rückmeldungen wegen der zahlreichen Gefährdungsanzeigen seit August letzten Jahres, geschweige denn eine Aufnahmezusage. Die von der neuen Bundesregierung versprochene unbürokratische Hilfe, die Beschleunigung der endlosen Visaverfahren und erst Recht ein Aufnahmeprogramm sind in keiner Weise vom grün geführten Außenministerium umgesetzt. Dennoch unterstützt das PSZ den Klienten, noch einmal einen Notruf an alle bekannten Stellen abzusetzen, die Familie vor der Rache der Taliban zu bewahren, indem sie endlich eine Aufnahmezusage bekommen. Die Hoffnung ist gering und die Stabilisierung des Klienten angesichts dieser Ohnmacht immer schwieriger.

Informationen zu unseren Veranstaltungen und Fortbildungen im April
Für alle Veranstaltungen sind verbindliche Anmeldungen unter
fortbildung [at] psz-duesseldorf [dot] de erforderlich. Die Teilnahme ist kostenfrei.

 
Wir freuen uns, Sie bei unseren Veranstaltungen zu sehen – wenn auch aufgrund der aktuellen Pandemie-Situation im März weiterhin alle Veranstaltungen digital stattfinden müssen.

Am Dienstag, den 05.04.2022 von 14:30-15:30 Uhr (bei Bedarf länger) mit Sabine Rauch und Dr. Dima Zito: Supervision und Entlastung für Helfer*innen ukrainischer Geflüchteter
Die Bilder des Krieges in der Ukraine erschüttern und viele Menschen engagieren sich haupt- und ehrenamtlich für die Unterstützung ukrainischer Geflüchteter. Damit dieses wichtige Engagement nicht zu eigener Be- oder Überlastung führt, bietet das Psychosoziale Zentrum für Flüchtlinge Düsseldorf e.V. die Möglichkeit zu Supervision, Austausch und Entlastung. Bei einem ersten Online-Termin sollen die Bedarfe geklärt, der gemeinsame Reflexionsprozess initiiert und mögliche weitere Termine geplant werden.

Am Mittwoch, den 06.04.2022 von 14:00 – 16:00 Uhr mit Michael Hoshino: Offenes Supervisionsangebot für Psychotherapeut*innen, die in eigener Praxis, in Kliniken, Beratungsstellen und anderen Settings mit Geflüchteten arbeiten. Max. acht Teilnehmer*innen. Per Zoom oder in Präsenz (je nach TN-Zahl)

Den vollständigen Fortbildungskalender mit vielen Veranstaltungen fürs erste Halbjahr und einem Ausblick für das zweite Halbjahr finden Sie hier.

Herzliche Grüße aus dem PSZ Düsseldorf